Zuschke: Bei uns in Düsseldorf gibt es zig Konversionen, Ergänzungen und Neustrukturierungen. So entsteht hinter dem Bahnhof beispielsweise zurzeit ein neues Wohngebiet in Nachbarschaft zu Industrie und dem intensivsten Verkehrsknotenpunkt. Am Vogelsanger Weg sollen gewerbliche Ansiedlungen wie Speditionen und metallverarbeitende Industrie erhalten bleiben und Wohnen darum herum wachsen. Hier planen wir in Meilensteinetappen, jede funktioniert für sich. Das wird auch für uns eine Lernkurve: Funktioniert das oder muss man die Situation noch einmal neu bewerten?
Das Zusammenführen von Wohnen und Arbeiten und die Verfügbarkeit von Bildungs- und Freizeiteinrichtungen bei guter und robuster Infrastruktur stabilisieren das Zusammenleben. So wird die Gesellschaft in Balance gehalten. Wir haben bisher die Trennung der Funktionen sowie „die Einkaufsstadt“ und „die Erlebnisstadt“ im Fokus gehabt. Wir haben weniger das Unspektakuläre, Normale beachtet, nämlich die Aufgabe, eine Verbindung zwischen Wohnen und Arbeiten zu schaffen. Für mich als Dezernentin ist genau das der Auftrag. Ich freue mich auf jedes Gebiet, das so vielschichtig ist, dass man Gewerbe und andere städtische Funktionen irgendwie mit Wohnen zusammenbringen muss.
Wie sieht die Stadt der Zukunft – sagen wir in 50 Jahren – aus?
Zuschke: In der Stadt der Zukunft ist man durch bessere Durchmischung weniger gestresst – weil Arbeiten und Wohnen zu „Leben“ zusammengerückt ist. Wandel wird als etwas Positives verstanden. Der Flächenverbrauch ist kleiner geworden, weil die Stadt hauptsächlich nach innen gewachsen ist und im positiven Sinne verdichtet wurde: Das heißt, neben dichten Quartieren gibt es auch viel Raum zum Leben. Lebenslange Bildungsmöglichkeiten bringen alle Altersschichten zusammen. Die Stadt hat trotz hoher Dichte ein Höchstmaß an qualitätvollen Räumen. Die Menschen gehen gerne auf die Straße, es gibt keine Angstgebiete. Die Mobilitätslandschaft hat sich komplett verändert: mit mehr Freiheit und Flexibilität. Das meine ich nicht ideologisch. Ich setze auf Innovation und die eigene freie Entscheidung aufgrund von Wahlmöglichkeiten. Außerdem hoffe ich, dass in 50 Jahren die neuen Bäume so groß sind, wie die, die jetzt Baumaßnahmen zum Opfer fallen müssen.
Walter: Auf jeden Fall gibt es sehr viel mehr Mischung. Sie ist deutlich umweltfreundlicher, grün, mit umweltverträglicher Mobilität und guten Freizeitmöglichkeiten.
Unserem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, da bin ich sicher, können wir auf nachhaltige Weise begegnen: Wir haben noch enorme Reserven in den Städten, die zu urbaner Dichte mit mehr Mischung entwickelt werden können. Bestimmte Gewerbecluster können sich nur im Austausch und in einer gewissen Dichte entwickeln. Das reduziert auch den Flächenverbrauch und vermeidet die Versiegelung neuer Grün- und Agrarflächen.
Sie klingen beide sehr optimistisch …
Walter: Das bin ich tatsächlich. Das 21. Jahrhundert kann, muss und wird das Jahrhundert der Nutzungsmischung in den Städten werden! Monostrukturen sind schlicht der falsche Weg. Wir Planer haben die Aufgabe, die Nutzungen wieder zusammenzubringen. Neue Technologien tun ihr Übriges. Gewerbe wird sich weiter verändern und immer sauberer werden. Unser Mobilitätsverhalten wird sich ändern. Das Statussymbol Auto wird künftig eine eher funktionale Rolle spielen, „Besitzen“ tritt gegenüber „Benutzen“ in den Hintergrund. Ohne allzu große pädagogische Maßnahmen wird es zu Veränderungen kommen, die die Lebensqualität in den Städten erheblich verbessern.
Zuschke: Wir neigen normalerweise zu sehr dazu, uns auf die Probleme zu konzentrieren. Ich sehe Wandel und Entwicklung als Geschenk und Chance, sich positiv zusammenzuraufen. Aber wenn ich noch einen Appell loswerden darf: Städte müssen stärker bei der Mobilitätswende unterstützt werden. Es wird so getan, als wären Luftreinhaltung und Lärmminderung – also schwindende Lebensqualität – ein akutes Problem der Kommunen. Aber: Nicht nur die Kommunen haben ein Problem, sondern wir alle. Es geht darum, dass wir gesund leben. Landesweit und weltweit. Stadtgestaltung geht also nur gemeinsam und nur integriert.