Allerdings zeigt sich an diesem Projekt auch, was passieren kann, wenn Abstriche beim Verkehrskonzept in Kauf genommen werden. Die ursprünglich fest eingeplante Anbindung an den öffentlichen Schienennahverkehr wurde nicht realisiert, was verheerend für die Akzeptanz unter den Anwohnern und damit für die Entwicklung des Standorts war. Erst in den vergangenen fünf Jahren – nachdem die Bahnstrecke nun doch erweitert wurde – hat Anting den Turnaround geschafft.
Ein enges rechtliches Korsett hindert die Entwickler in Deutschland
Wer diese Beispiele mit den Gegebenheiten in Deutschland vergleicht, erkennt schnell: Die Schonung der so wichtigen natürlichen Ressource Grund und Boden wird durch das eng gefasste Planungsrecht behindert statt gefördert.
Zweifellos: Die chinesische Gesetzgebung und politische Praxis ist per se keinesfalls ein wünschenswertes Vorbild für Deutschland. Zudem dürfen die vom Baurecht geforderten „gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ in keiner Weise gefährdet werden. Dennoch wäre es hierzulande wünschenswert, bei Baurechtsthemen eine höhere Flexibilität an den Tag zu legen. Denn eine allzu pedantische Anwendung der Richtlinien führt zur Gefährdung eines anderen Grundsatzes desselben deutschen Gesetzestexts, nämlich eine „menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“. Das tun wir gerade nicht, wenn wir theoretischen Abstandsformeln folgen und mit manchen Nutzungen die integrierten Lagen in Richtung grüne Wiese verlassen müssen. Letztlich senkt eine solche Auflage also die urbane Lebensqualität, anstatt sie zu erhöhen. Darüber hinaus sind es gerade die sehr eng bebauten und durchmischten Gründerzeit-Stadtviertel, die sich auch in München größter Beliebtheit bei den Bewohnern erfreuen.
Fazit: Den Diskurs nachschärfen
Für die deutsche Stadtplanung sollte es keineswegs darum gehen, die in China realisierten Konzepte eins zu eins zu übernehmen. Dennoch lassen sich aus den Projekten des Transit Oriented Development in Verbindung mit einer gesunden Nutzungsmischung viele Schlüsse ziehen, wie wir hierzulande mit dem Thema Dichte umgehen können. Denn grundsätzlich verfolgen die deutschen Kommunen bereits seit Längerem den Leitsatz, konsequent innerstädtisch nachzuverdichten. In München beispielsweise existiert seit mehr als 20 Jahren die Städtebau-Prämisse „kompakt, urban, grün“.
Diese Leitlinien sollten neu interpretiert und vor allem rechtlich neu ausgelegt werden, auch unter Einbezug von Zukunftsthemen wie Urban Production and Manufacturing, Future Mobility, Smart City und anderen technologischen Errungenschaften, die das Arbeiten und Wohnen in den modernen Städten prägen. Es geht darum, diese Punkte stärker in die Diskussion und in die Planung einzubeziehen. Selbst wenn Ausprobieren bedeutet, dass am Anfang Fehler gemacht werden. Aus denen kann man nach und nach lernen.