Schwarzweiß-Aufnahme von drei Personen, die in einem leeren Raum mit bodentiefen Fenstern stehen und aus dem Fenster auf die Stadt schauen

Unternehmen werden öfter mieten

Handelsblatt Journal Sonderveröffentlichung zum Thema „IMMOBILIENWIRTSCHAFT“

Foto Prof. Dr. Andreas Pfnür
Vor allem produktionsnahe Betriebe stehen vor erheblichen Veränderungen. Das wird sich auf ihren Flächenbedarf auswirken.

Flexibilität steht künftig im Vordergrund. Ein Beitrag von Prof. Dr. Andreas Pfnür, Fachgebietsleiter „Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre“ an der Technischen Universität Darmstadt.

Produzierende und produktionsnahe Unternehmen befinden sich an der Schwelle zu einem massiven Strukturwandel. Er wird sich maßgeblich auf ihre Anforderungen an Immobilien auswirken. Das ist das Ergebnis einer empirischen Studie der TU Darmstadt und der IREBS Immobilienakademie im Auftrag des Immobilienentwicklers Aurelis Real Estate. Mehrere Faktoren spielen hierbei eine Rolle:

  1. Die Unternehmen stehen vor erheblichen Veränderungen durch die Digitalisierung.
  2. Der Wettbewerb verschärft sich und wird durch die Globalisierung international.
  3. Soziodemografische Veränderungen wirken sich auf Absatz- und Arbeitsmärkte aus.
  4. Weltweit, so auch in Deutschland, wandeln sich produzierende Unternehmen von Produktanbietern (z. B. Automobilhersteller) zu Anbietern integrierter Lösungen (Mobilitätsdienstleister).
Vor allem Produktionsunternehmen werden vom Strukturwandel betroffen sein.

Die Studie zeigt, dass jedes dritte Unternehmen in Deutschland von allen Treibern gleichermaßen betroffen ist. Ein weiteres Drittel gehört zu den „Betroffenen der Globalisierung“ und ein weiteres knappes Viertel zu den „demografisch Getriebenen“. Nur an jedem achten Unternehmen geht der Strukturwandel nach eigener Einschätzung vorbei. Grundsätzlich gilt: Je größer das Unternehmen und je höher der Anteil an Produktion, desto stärker wird der Strukturwandel ausfallen.

Im Nachgang zu dieser Studie fand unter Leitung der TU Darmstadt ein Round-Table-Gespräch mit einer zwanzigköpfigen Expertenkommission statt. Sie bestand aus führenden Vertretern von produzierenden Betrieben und Immobilienunternehmen. Dabei wurden die Treiber des Strukturwandels und ihre Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft bewertet. Die Kommission stellte folgende Thesen auf:

  • Reine Produktionsflächen werden künftig verkleinert und um zusätzliche Büro- und Dienstleistungsflächen ergänzt.
  • Die Digitalisierung ermöglicht die Rückkehr lohnkostenintensiver Produktionen aus dem Ausland – mit ungewisser Auswirkung auf den Flächenbedarf.
  • Unternehmen investieren in die Entwicklung disruptiver Geschäftsmodelle und Technologien. Wie sich der Flächenbedarf dadurch ändert, ist kaum planbar.
  • Auch für die Digitalisierung lassen sich nur in Ansätzen Anforderungen an Produktionsgebäude und deren Infrastruktur ableiten.
  • Schnelle Reaktionen auf Kundenbedürfnisse und physische Kundennähe werden in vielen Märkten zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. In der Folge entstehen Produktionsstandorte engmaschiger und kleinteiliger.
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Im Ergebnis wird sich der Flächenbedarf öfter und schneller ändern. In die Immobilienstrategie produktionsnaher Betriebe wird nach Einschätzung der Expertenkommission Bewegung kommen.

Angesichts der hohen Eigentumsquoten ist allerdings die Sorge groß, im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. In Deutschland sind 86 Prozent der Produktionsflächen im Eigentum der produzierenden Unternehmen, in den USA nur 30 Prozent und in Asien gerade noch 20 Prozent. Hierzulande müssen die Unternehmen also im eigenen Hause die erforderliche immobilienwirtschaftliche Flexibilität herstellen. Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Umfrage des Fachgebiets Immobilienwirtschaft der TU Darmstadt gezeigt: 88 Prozent der befragten Entscheider bei deutschen Unternehmen sind der Auffassung, dass sie immobilienwirtschaftlich für den Strukturwandel nicht gut aufgestellt sind. Diese Ergebnisse wurden von der Expertenkommission in Darmstadt bestätigt.

Besorgniserregend seien insbesondere die geringen Ressourcen. Es fehle in zwei Drittel der produzierenden Unternehmen an Personal, an Fachwissen und an einer transparenten Datenlage, um sich dem beschriebenen Strukturwandel stellen zu können. Entsprechend nehme der Druck zu, sich Hilfe von außen zu suchen, um die Immobilienbestände immer wieder kurzfristig an neue Erfordernisse anzupassen.

Und so kündigt sich ein Paradigmenwechsel an: Unternehmen wollen häufiger das Immobilienmanagement als Komplettdienstleistung einkaufen und die Flächen mittelfristig mieten, anstatt sie im Eigentum zu halten.

Eine gute Lösung, von der schlussendlich auch der Kapitalmarkt profitiere, resümiert die Expertenrunde aus Darmstadt. Denn wenn Flächen aus kompetenter Hand schnell und flexibel bereitgestellt würden, werde zwangsläufig ihre Drittverwendungsfähigkeit weiter steigen. Und das sei eine gute Nachricht für risikobewusste Investoren, die hier eine interessante Assetklasse für sich entdeckt hätten.